Lageinformationssystem mit KI kann Katastrophenmanagement verbessern

Im Forschungsprojekt AIFER wurde ein prototypisches Lageinformationssystem mit KI-Auswertungen für das Katastrophenmanagement entwickelt und getestet. Jetzt ist die wissenschaftliche Evaluation abgeschlossen.

AIFER - Lageinformationssystem mit KI

Wie schon berichtet, wurde in dem deutsch-österreichischen Forschungsprojekt AIFER ein Lageinformationssystem mit Echtzeitinformationen auf Basis der Datenanalyse-Software disy Cadenza entwickelt. Damit Planungsstab und Einsatzleitung im Katastrophenfall zielgerichtet entscheiden können, brauchen sie ein System, das alle relevanten Informationen zu einem Echtzeit-Lagebild zusammenführt. Dazu wurde der Ansatz der KI-basierten Datenfusion entwickelt. Die Ergebnisse lassen sich in spezifischen Analyse-Dashboards darstellen, die speziell für die Nutzenden im Lagezentrum entwickelt wurden, und dabei helfen, den Überblick zu behalten. In einer spektakulären Großübung mit wissenschaftlicher Begleitung testete der Krisenstab das Lagesystem zur Unterstützung der kollaborativen Einsatzplanung und -führung in der Praxis auf Herz und Nieren.

Wissenschaft evaluiert Erfahrungen für Systemoptimierung

Die Wochen nach der Übung wurden genutzt, um das Feedback der Einsatzkräfte wissenschaftlich zu evaluieren und Empfehlungen für die Systemoptimierung abzuleiten. Dabei zeigte sich, dass die KI-Algorithmen zur Auswertung von Fernerkundungsdaten und Social-Media-Nachrichten gut funktionieren und zusätzliche Perspektiven zur ganzheitlichen Lageerfassung bieten. Gerade die Möglichkeit, sich vor der Fahrt zu einem Einsatzort mithilfe von Drohnenbildern und aktuellen Social-Media-Posts ein konkretes Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen, wurde von den Einsatzkräften sehr begrüßt. Auch speziell auf den Katastrophenschutz zugeschnittene prototypische bzw. neue Funktionen von disy Cadenza wurden gelobt, wie z. B. das Routing von Fahrzeugen mit der Möglichkeit, Vermeidungszonen anzugeben, innerhalb derer eine Durchfahrt aufgrund von Zerstörungen unmöglich ist.

Die Zusammenführung der vielfältigen Daten in Dashboards eröffnet zusätzlich neue Möglichkeiten. Hier deckte der Praxistest unter Zeitdruck noch bestehende Schwachstellen des Prototyps auf, die sich allerdings leichtgewichtig in einer Produktivversion von disy Cadenza verbessern lassen. In puncto Usability geht es beispielsweise um das bessere Handling von taktischen Zeichen in Karten, das Hinzufügen von Zeitstempeln zu Lageinformationen oder die Optimierung von Klickreihenfolgen für effizientere Arbeitsprozesse. Auch die tiefere Integration des Cadenza-basierten AIFER-Lageinformationssystems mit anderen bei den Anwendenden genutzten Softwaresystemen (auf Ebene des Datenaustauschs und/oder in der GUI) wäre für ein Operativsystem natürlich sinnvoll. All diese Dinge sind ebenso umsetzbar, wie der Wunsch nach individuellen Auswertungsmöglichkeiten, wie z. B. in einem persönlichen Dashboard eigene Notizen und Berechnungen erstellen zu können.

Anregungen zu funktionalen Erweiterungen von disy Cadenza

Daneben gab es auch Anregungen zu funktionalen Erweiterungen von disy Cadenza. So könnte z. B. die Timeslider-Funktion zur zeitbezogenen Analyse einzelner Kartendarstellungen auf ganze Dashboards erweitert werden, damit die zeitliche Entwicklung eines gesamten Lagebilds noch besser betrachten werden kann. Grundsätzlich ist die größere Echtzeitorientierung eine zentrale Eigenschaft des AIFER-Ansatzes. Da vor diesem Hintergrund auch die Frage aufkam, wie schnell Dashboards von disy Cadenza Lageänderungen anzeigen können (im Sinne eines „Push-Modus“ bei Updates) wurde in der neuen Version disy Cadenza 2023 Autumn mit dem sog. „Live-Modus“ die Möglichkeit geschaffen, dass sich Dashboard-Darstellungen automatisch nach einem einstellbaren Intervall aktualisieren.

Laufende Arbeiten und Übertragbarkeit auf andere Szenarien

Die Usability, die ethischen, rechtlichen und soziologischen Aspekte sowie die Risikofaktoren der Systemnutzung werden zurzeit noch weiter vom Projektteam beleuchtet und dokumentiert. Ferner wird eine Roadmap für die technische Entwicklung erstellt, um den möglichen Weg der Forschungsergebnisse in marktfähige Innovationen aufzuzeigen. Der KI-basierte Algorithmus zur Fusion heterogener Datenströme in Hotspot-Karten wird in einer gemeinsamen wissenschaftlichen Publikation der Projektpartner weiterentwickelt. Dabei zeigen erste rückblickende Vergleiche beispielsweise mit Daten aus der Ahrtal-Katastrophe von 2021, dass die KI-basierte Hotspot-Identifikation den menschlichen Einschätzungen sehr nahekommt.

Nach Ende des Förderprojekts im Oktober 2023 gilt es einerseits, die prototypischen Algorithmen und Lösungsmodule in die Praxis zu tragen. Gerade für Disy bieten sich hier vielfältige Ansatzpunkte, um disy Cadenza zum leistungsfähigen Echtzeit-Lageinformationssystem für Großschadenslagen auszubauen. Andererseits bleiben vielfältige Anschlussforschungsfragen, zum Beispiel für tiefergehende Auswertungen von Social-Media-Posts, zusätzliche Analysen der Fernerkundungsdaten, zum Beispiel zum besseren Verständnis der zeitlichen Dynamik eines Katastrophenereignisses. Auch weitere Anwendungsfelder für KI-Verfahren liegen auf der Hand, wie beispielsweise die bessere Priorisierung der Informationen in der Datenflut, zum Umgang mit Daten mit unzureichender Qualität oder zu Prognosen der weiteren Lageentwicklung.

Insgesamt bietet die AIFER-Lösung durch die KI-Auswertung von Massendaten aus Fernerkundung und Social Media mit nachgeschalteter Datenfusion einen Innovationssprung im Katastrophenmanagement. Das echtzeitnahe Lagebild vereinfacht ebenso die Früherkennung und Vorwarnung. Auch wenn AIFER am Beispiel Hochwasser entwickelt wurde, lässt sich der technologische Ansatz größtenteils auch auf andere Katastrophenszenarien, wie Waldbrände, Stürme, Erdrutsche, Erdbeben etc. übertragen – immer mit dem Ziel, die Sicherheit der Menschen bestmöglich zu gewährleisten.