iWaGSS entwickelt integriertes Water Governance Support System

Im Projekt iWaGSS kooperieren deutsche und südafrikanische Partner mit dem Ziel, ein integriertes Water Governance Support System zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wasserressourcen im Flusseinzugsgebiet des Olifants zu entwickeln und erproben.

iWaGSS entwickelt System für Wassermanagement

Wenn die Elefanten des Kruger-Nationalparks sich einer Wasserstelle nähern, traben sie die letzten Meter. Sie können das Wasser kaum erwarten. Das Wasser im südafrikanischen Nationalpark kommt aus drei großen Flusseinzugsgebieten. Die wichtigste Wasserquelle für den zentralen Teil des Parks ist der Olifants. Der Fluss befindet sich in einem schlechten ökologischen Zustand, weil wachsende Industriezonen, Bergbau, Energiegewinnung, Metallverarbeitung, Siedlungen, industrielle Landwirtschaft und Kleinbauern die Wasserqualität strapazieren. Trotz strenger Wasserverordnungen werden giftige Abwässer eingeleitet. Bemerken die Mitarbeiter im Nationalpark ökologische Schäden, dann sperren sie Wasserstellen und machen sich auf die Suche nach dem Verursacher. In diesem Spannungsfeld suchen viele Akteure nach ökologisch nachhaltigen Lösungen. Denn der Druck auf das Wasser steigt.

Partner entwickeln integriertes Water Governance Support System

Frühzeitig vor Verschmutzungen warnen und Schadstoffquellen schnell abstellen: Hier setzt das Verbundforschungsprojekt „Integrated Water Governance Support System (iWaGSS)“ an, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme GROW im Zeitraum vom 01.05.2017 bis zum 31.12.2020 gefördert wird. Kernziel von iWaGSS ist die Entwicklung und praktische Erprobung eines integrierten Water Governance Support System (WGS) auf Basis neuartiger Technologien und Werkzeuge.

Abb. 1: Pilotregion in Südafrika
Abb. 1: Pilotregion in Südafrika
Abb. 2: Flusseinzugsgebiet Olifants
Abb. 2: Flusseinzugsgebiet Olifants
Abb. 3: Gestautes Flusswasser
Abb. 3: Gestautes Flusswasser

Dazu entwickeln die Projektpartner ein computergestütztes Echtzeit-Wassermanagementsystem, um regionale Entscheidungsträger zu unterstützen. Das System soll in der südafrikanischen Modellregion, dem Flusseinzugsgebiet des Olifants, erprobt und demonstriert werden. Methodisch setzt das Projekt auf eine innovative Verknüpfung von Risikobewertung, neuen Technologien zur Echtzeitüberwachung der Wasserqualität und Softwaresystemen auf Basis hydrologischer bzw. hydraulischer Modelle.

Projektpartner iWaGSS

Abb. 4: Projektpartner iWaGSS

Um dieses System zu entwickeln, arbeiten acht deutsche Projektpartner zusammen: die Ruhr-Universität Bochum, das Karlsruher Institut für Technologie, die Universität Bonn, die LAR Process Analysers AG, die Disy Informationssysteme GmbH, die Global Water Franchise Agency GmbH und DIE GEWÄSSER-EXPERTEN. Koordiniert wird dieses Partnerkonsortium von Professor Karl-Ulrich Rudolph vom Institute of Environmental Engineering and Management an der Universität Witten/Herdecke. Neben den deutschen Partnern sind auch acht Kooperationspartner in Südafrika eingebunden, um das entwickelte System in der Praxis zu testen.

Methodischer Ansatz des Forschungsprojekts iWaGSS

Unterschiedliche Datenquellen werden im IWaGSS-WGS zusammengeführt. Dieses enthält einerseits Daten für die GIS-basierte Risikobewertung in einem GIS-Portal und realisiert andererseits ein einfaches Frühwarnsystem mithilfe des Online-Monitorings der Gewässerqualität.

Die Daten erzeugenden Aktivitäten im Projekt (s. links in Abb. 5) umfassen insbesondere:

  • Ein GIS-basiertes Risikobewertungsverfahren untersucht Kontaminationsrisiken für Wasserressourcen, also Gefahren für die Wasserqualität. Dadurch können beispielsweise Gefährdungskarten erzeugt werden, die dabei helfen, Planungen für technische oder regulatorische Maßnahmen zu priorisieren.
  • Im Rahmen der Fließgewässermodellierung wird ein hydrologisches Modell erstellt, welches die Simulation des Abflussregimes und darauf aufbauend die Prognose der räumlich-zeitlichen Verteilung von Schadstoffen im Gewässer erlaubt.
  • Es wird ein telemetrisches wasserökologisches Monitoringnetzwerk aufgebaut, welches an unterschiedlichen Orten die Wasserqualität am Olifants und an den Seitenflüssen vor und im Kruger-Nationalpark erfasst und übermittelt.
  • Überdies liegen von der öffentlichen Verwaltung aus früheren Projekten und als Ergebnis weiterer Arbeitspakete im Projekt zusätzliche Sach- und Geodaten sowie Hintergrundinformationen vor, die teilweise auch in die oben genannten Aktivitäten einfließen. Dies sind beispielsweise Daten zur Gewässermorphologie etc.
Methodik iWaGSS

Abb. 5: Überblick des methodischen Ansatzes des Forschungsprojekts iWaGSS

Auf dieser Datengrundlage erfüllt das iWaGSS-System verschiedene Funktionen (s. rechts in Abb. 5):

  • Ein GIS-Portal soll Karten und Basisdaten für planerische Aktivitäten und Szenarienplanungen von Entscheidern und Managern bereitstellen.
  • Ein Frühwarnsystem soll in Nah-Echtzeit im Fall von Gewässerqualitätsproblemen betroffene Anwender proaktiv alarmieren.
  • Die kontinuierliche Datensammlung und -zusammenführung stellt die Grundlage für Langzeitbeobachtungen im Sinne der Long Term Ecological Research (LTER) dar.
  • Aus den Datenbeständen und Beobachtungsdaten für Forscher, Manager und politische Entscheider können der Öffentlichkeit Teile im Sinne eines Open Data Portals zur Verfügung gestellt werden, um Transparenz und Bewusstsein für Themen des Wasserressourcenmanagements in der breiteren Bevölkerung zu schaffen.

Auf den beschriebenen Forschungsaktivitäten aufbauend wurde gemeinsam ein webbasiertes Wassermanagementsystem erdacht und ausgeformt. Mithilfe der Geodaten-Analyseplattform Cadenza der Firma Disy Informationssysteme GmbH wurde es auf einer PostGIS-Datenbank als Prototyp umgesetzt.


iWaGSS-System bietet zentral interaktive Analysemöglichkeiten

Die im Projekt gesammelten Daten bilden die Basis des iWaGSS-Systems. Durch die Zusammenführung der Daten entstand ein umfangreiches GIS-Portal mit 17 filter- und durchsuchbaren Kartenthemen (s. Beispiele in Abb. 6 und 7) und hydraulischen und meteorologischen Zeitreihen (s. Beispiel in Abb. 8). Diesen Datenschatz zentral interaktiv analysieren zu können, stellt einen großen Mehrwert da.

Abb. 6: Bodenkarte
Abb. 6: Bodenkarte
Abb. 7 Filterbare GIS-Layer: So können beispielsweise die Messtationen nach Kriterien gefiltert werden.
Abb. 7: Filterbare GIS-Layer
Abb. 8: Zeitreihendarstellung
Abb. 8: Zeitreihendarstellung

Über die OLAP-Funktionalität (Abb. 9) von Cadenza können die Zeitreihen von 71 staatlichen Messstationen benutzergerecht gefiltert und ausgewählt werden, beispielsweise nur für bestimmte Zeitintervalle und Einzugsgebiete. Ebenso können die langen historischen Zeitreihen in interaktiven Diagrammen oder Tabellen angezeigt werden. So lassen sich folgende Fragestellungen vom Nutzer selbstständig analysieren: Welche Teileinzugsgebiete liefern wie viel Wasser? Welche Gebiete haben besonders wenig Niederschlag oder hohe Evaporation? Welche Jahre/Jahreszeiten waren besonders trocken?

Abb. 9: Über die OLAP-Funktionalitäten von Cadenza können Zeitreihen und andere Daten für Analysen benutzergerecht gefiltert und ausgewählt werden.
Abb. 9: OLAP-Funktionalität
Abb. 10: An den Monitoringstationen wird die Wasserqualität des Olifants in wird nun in Nah-Echtzeit analysiert.
Abb. 10: Monitoring Wasserqualität
Abb. 11: Fachkarte zum Kontaminationspotenzial aus landwirtschaftlicher Nutzung
Abb. 11: Risikopotential Landwirtschaft

Monitoringsystem iWaGSS überwacht die Wasserqualität

Um frühzeitig auf verschmutztes Flusswasser im Olifants reagieren zu können, wurde ein Monitoringsystem für die Wasserqualität mit vier Stationen aufgebaut. Hier werden Echtzeit-/Online-Toxizitätsanalysen durchgeführt und außerdem pH-Wert, elektrische Leitfähigkeit, Redox-Wert sowie Wetter-/Klimadaten gemessen. Im Kern dieser Stationen steht ein Online-Toximeter, welches kontinuierlich das Flusswasser auf unbekannte Schadstoffe hin überwacht. Der Toxizitätsanalysator integriert eine hochempfindliche, sich selbst regenerierende Bakterienkultur, die im Gerät vorgehalten wird. An einer Monitoringstation wird darüber hinaus der Sedimenttransport überwacht, an zwei anderen Stationen wird die Trübung gemessen.

Die Messwerte werden telemetrisch an einen Server übertragen und per ETL-Prozess in den Datenbestand des iWaGSS Wassermanagementsystems übernommen. Dort werden sie in Nah-Echtzeit inspiziert und analysiert. Bei einer Überschreitung vordefinierter Grenzwerte werden die Verantwortlichen per Mail/SMS informiert. Wird eine Intoxikation frühzeitig am Flussoberlauf erkannt, besteht die Möglichkeit, den Abfluss in einer Talsperre vor dem Eintritt in den Kruger-Nationalpark aufzustauen. Aus dem in iWaGSS entwickelten hydrologischen Modell können ungefähre Fließzeiten des kontaminierten Wassers von der Messstelle bis zum Eintritt in den Park abgeleitet werden. Die Information über eine ungefähre Fließzeit wird zusammen mit der Frühwarnungsnachricht verschickt.


Kontaminationsrisikokarten stehen im iWaGSS-Portal bereit

Ein weiterer wichtiger Baustein des Wassermanagementsystems sind Karten zum Kontaminationsrisiko. Das zugrundeliegende Modul zur Risikobewertung wurde von der Ruhr-Universität Bochum entwickelt. Dabei wird zum einen das Kontaminationspotential ermittelt, das sich aus möglichen Verschmutzungsquellen wie Industriebetrieben, Siedlungen und landwirtschaftlichen Nutzungsflächen ergibt. Zum anderen wird die Sensitivität der Wasserkörper abgeschätzt. Aus der Überlagerung der Kontaminationspotentiale mit den Sensitivitäten ergibt sich das Kontaminationsrisiko. Als Ergebnis entstehen Kontaminationsrisikokarten, die im iWaGSS-Portal bereitstehen. Die Abbildung 11 zeigt die Kontaminationsrisikokarte für die landwirtschaftliche Nutzung.


iWaGSS-System unterstützt bei der Verursachersuche

Ein innovativer Anwendungsfall im Forschungsprojekt iWaGSS ist die Verursachersuche von Gewässerverunreinigungen, um Quellen schnell zu lokalisieren. Dieser Ansatz nutzt die Karten zum Kontaminationsrisiko nach Art der Verschmutzungsquelle. So kann man beispielsweise über die Karten mit allen Direkteinleitern und deren Industriezweigen bestimmte Arten der Schwermetallbelastung mit großer Wahrscheinlichkeit auf bestimmte Minen-/Industriebetriebe zurückführen, andere Belastungen rühren eher aus landwirtschaftlicher Nutzung. Nutzt man diese Informationen, um – ausgehend von einer beobachteten Kontamination – den Flussverlauf stromaufwärts, quasi „rückwärts“ zu verfolgen, dann lassen sich vorstellbare Verschmutzer im Idealfall recht gut identifizieren. So hilft die Karte bzw. Tabelle aller Direkteinleiter am Fluss, eine vermeintliche Verschmutzung stromaufwärts gezielt zu verfolgen.


Synergien und Übertragbarkeit des Wassermanagementsystems iWaGSS

Im Forschungsprojekt iWaGSS hat sich gezeigt, dass vor allem die Zusammenführung und synergetische Verwendung aller anfallenden Daten und Informationen zum Flusseinzugsgebiet einen wesentlichen Mehrwert für die Praxis bringen. Beispielsweise ist der Anwendungsfall Rückverfolgung von toxischem Flusswasser nur durch die Zusammenschau von Echtzeit-Monitoring und Datenaufnahme zur Risikobewertung möglich. Ebenso benötigt das Frühwarnsystem die Gewässermodellierung zur Berechnung der Vorwarnzeiten.

Das vorliegende System soll zum Projektende in wesentlichen Teilen den Bedarfsträgern des Kruger-Nationalparks zur weiteren Nutzung nach Projektende übergeben werden. Es birgt die Hoffnung, die diversen Nutzungsansprüche der Region zukünftig besser in Einklang zu bringen. Die Übertragbarkeit auf viele andere Gebiete mit Wasserstress in weniger entwickelten Ländern liegt nahe. Eine mindestens genauso interessante Perspektive ist es allerdings auch, zu untersuchen, inwieweit sich Teile der vorgestellten Ansätze auch nutzenstiftend nach Deutschland bzw. Europa zurückübertragen lassen.