Forscher präsentierten Ergebnisse aus FuE-Projekt SmartRegio

In dem Projekt wurde erforscht, wie sich Smart-Data-Methoden auch von mittelständischen Unternehmen anwenden lassen, um strategische Unternehmensentscheidungen zu unterstützen. Anfang September wurden die Ergebnisse präsentiert.

Forscher präsentieren Ergebnisse aus FuE-Projekt SmartRegio

Intelligente Methoden zur orts- und raumbezogenen Auswertung von Social-Media-Datenströmen oder ausgeklügelte Verfahren des Geomarketings werden heute noch überwiegend nur von Großunternehmen genutzt. Dabei sind gerade Mittelständler häufig stark regional verwurzelt und damit noch abhängiger von einem guten Verständnis ihres regionalen Umfelds. Daher hat Disy zusammen mit anderen innovativen Unternehmen und renommierten Forschern im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Smart-Data-Forschungsprojekts SmartRegio untersucht, ob bzw. wie sich Smart-Data-Methoden auch von kleinen und mittleren Unternehmen anwenden lassen, um strategische Unternehmensentscheidungen durch Geodatenanalysen zu unterstützen. Anfang September 2017 wurden die Projektergebnisse im Rahmen eines öffentlichen Abschluss-Workshops präsentiert und diskutiert.

Gerade Mittelständler und regional verwurzelte Unternehmen wie Stadtwerke sind für die richtigen unternehmerischen Entscheidungen davon abhängig, ihr lokales und regionales Umfeld gut zu verstehen, Trends und Veränderungen frühzeitig zu erkennen und richtig zu interpretieren. Auch für Stadtverwaltungen und Regionalverbände gilt dies in ähnlicher Weise – auch wenn sie nicht gewinnorientiert handeln müssen, müssen auch sie die richtigen Weichenstellungen für die Zukunft wählen, um mit Investitionen und politischen Entscheidungen die gewünschten Effekte auch wirklich zu erzielen. Viele für Firmen oder Verwaltung strategisch relevante Fragen lassen sich mithilfe von Geodatenanalysen bzw. räumlichen Datenanalysen besser beantworten:

  •  Lohnt sich an einem bestimmten Ort die Einrichtung einer neuen Filiale oder Verkaufsstelle, um eine steigende Nachfrage bedienen zu können?
  • Sollte man in gewissen Filialen das Sortiment langsam umstrukturieren, um beispielsweise den geänderten Lebenseinstellungen und -umständen der älter werdenden Käufer, der Zunahme von Familien mit Kindern oder umweltbewusster Käufer entgegenzukommen?
  • Ist in einem Stadtquartier eine beginnende Gentrifizierung zu beobachten, mit den zu erwartenden Effekten für Immobilienpreise, Mieten, sozialen Frieden etc.?
  • Welche Stadtviertel sind zurzeit oder mit wachsendem Anteil geprägt von älteren Menschen, Alleinerziehenden, Studierenden, Menschen mit Migrationshintergrund etc., und erfordert dies eine spezifische Infrastruktur beispielsweise bei der ÖPNV-Anbindung?
  • Lassen sich in gewissen Nachbarschaften erhöhte Neigungen zur Anschaffung von Elektrofahrzeugen oder von Photovoltaikanlagen feststellen?

 

SmartRegio erforscht Big-Data-Technologien für räumliche Datenanalysen

Viele solcher Fragen werden heute von erfahrenen Vertriebs- oder Verwaltungsmitarbeitern intuitiv und erfahrungsbasiert beantwortet. Für andere finden sich – häufig teure – Einmal-Antworten bei spezialisierten Beratungsunternehmen für Geomarketing. Die Basishypothese des FuE-Projekts SmartRegio war, dass sich heute schon, aber in Zukunft auch noch mehr Fragestellungen mithilfe von Geodatenanalysen faktenbasiert statt „aus dem Bauch“ besser beantworten lassen – und die Antworten damit auch nachprüfbarer, erklärbarer, teilweise automatisierbar und regelmäßig aktualisierbar werden. Dazu sind Methoden und Werkzeuge nötig, die

  • öffentliche, verfügbare Daten einfach finden und nutzen können,
  • sie mit eigenen und ggf. kommerziell hinzugekauften Daten verknüpfen und verschneiden sowie
  • mithilfe benutzerfreundlicher Werkzeuge auch Nicht-IT-Experten Möglichkeiten geben, intuitiv mit den Daten zu arbeiten und experimentieren.


Das Forschungsprojekt SmartRegio hat diese Thematik ganzheitlich untersucht aus Sicht der IT-Werkzeuge, aber auch der Datensicherheit, des Datenschutzes, des Lizenzrechts sowie der Geschäftsmodelle und erste Lösungsbausteine geliefert. SmartRegio wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen des Technologieprogramms „Smart Data“ gefördert, in dem Big-Data-Technologien für ausgewählte Anwendungsbereiche aus der Wirtschaft entwickelt und erprobt werden.

 

SmartRegio-Projektkonsortium mit starken Forschungspartnern

SmartRegio wurde gemeinsam bearbeitet von (s. Abb. 1):

  • YellowMap AG: als Anbieter von Kartendiensten und geodatenbasierter Unternehmensberatung; agierte in SmartRegio als Konsortialführer
  • Disy Informationssysteme GmbH: als Spezialist für Geodateninfrastrukturen und Geodatenintegration, räumliche Analysen und Lösungen für die öffentliche Verwaltung
  • USU Software AG: als Innovator von Big-Data-Plattformen für die Verarbeitung von Massendaten und Datenströmen; untersuchte in SmartRegio auch Themen zur Anonymisierung und zu Geschäftsmodellen
  • Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) Kaiserslautern (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Andreas Dengel): für die Interpretation und intelligente Analyse von Social-Media-Inhalten
  • Forschungsstelle Datenschutz der Goethe-Universität Frankfurt (Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann): für alle juristischen Fragestellungen

Die Frage, wie sich Methoden der räumlichen Datenanalyse für regional verwurzelte Mittelständler nutzen lassen, wurde anhand konkreter Beispiele und Fragestellungen der Stadtwerke Kaiserslautern untersucht, die am Projekt als assoziierter Partner teilnahmen. Ein weiterer assoziierter Partner war die Stadtverwaltung Kaiserslautern. Diese agierte nicht nur als Datenbereitsteller, sondern lieferte auch weitere Anwendungsfälle, wie öffentliche Verwaltungen von Smart-Data-Lösungen profitieren können.

 

SmartRegio-Lösungsarchitektur

Im Rahmen des FuE-Projekts wurde eine modulare Software-Plattform (s. Abb. 2) prototypisch entwickelt, welche von den Projektpartnern nach Projektende als Ganzes und in den Teilen für kommerzielle Nutzungen weiterentwickelt werden soll. Die Lösungsarchitektur sieht drei getrennte Datenerfassungsbereiche für verschiedene Datenarten vor:

  • Social-Media-Inhalte und andere Medieninhalte werden zunächst mit Methoden der Volltextanalyse und der Georeferenzierung verarbeitet; hier spielt ElasticSearch als Werkzeug eine wichtige Rolle.
  • Datenströme wie Sensor- und Maschinendaten werden mit hochperformanten Lösungsansätzen auf Basis von Apache Spark erfasst. 
  • „Klassische“ Geodaten werden durch Geo-ETL-Prozesse mithilfe der Disy-Erweiterung GeoSpatial Integration für Talend eingebunden, harmonisiert und qualitätsgesichert (s. Abb. 3).

Danach erfolgt die Speicherung der für weitere Analysezwecke integrierten und georeferenzierten Daten in einer PostGIS-Datenbank. Aus Anonymisierungsgründen und zum Vergleichbarmachen von Geodaten mit unterschiedlichen räumlichen Bezugssystemen können alle Daten auf ein einheitliches Betrachtungsraster projiziert werden. Metadaten zu Eingangsdatenquellen, abgeleiteten Daten und Verarbeitungsworkflows werden in CKAN verwaltet. Weiterführende Verarbeitungs- und Verschneidungsprozesse, um aus einfachen Geodatenprozessierungen komplexere fachliche Ableitungen und Analysen zu ermöglichen, können als Workflows mithilfe des USU-Werkzeugs Katana definiert werden.

Für Endanwender werden möglichst einfache, teilweise interaktive Visualisierungen zur Verfügung gestellt, die beispielsweise mithilfe von Kibana realisiert wurden. Handelt es sich um statische Kartendarstellungen, können diese auch mit dem Werkzeug Cadenza von Disy, das zur Erzeugung der Geodatenlayer genutzt wurde, direkt auf den GeoServer publiziert werden. Weitere Lösungselemente der SmartRegio-Architektur befassen sich mit Datensicherheit (Verwendung von KeyCloak), mit der Sicherstellung notwendiger Anonymisierungsanforderungen aus Sicht des Datenschutzes und mit Abrechnungsmechanismen für die Plattformnutzung.

 

Zwischenfazit und offene Fragen

Die SmartRegio-Software-Prototypen und exemplarischen Anwendungsfälle zeigen, dass sich mit existierenden Technologien der Geodatenverarbeitung, -analyse und -visualisierung bereits nützliche und mächtige Werkzeuge zur Entscheidungsunterstützung realisieren lassen. Auch wenn der Automatisierungsgrad der Verarbeitungen noch nicht so hoch ist, wie zu Projektbeginn erhofft, kann man doch mit geeigneten Modellierungs- und Orchestrierungswerkzeugen komplexe Verarbeitungsworkflows „unter der Haube“ realisieren, die schließlich dem Endanwender einfache und intuitive Benutzungsschnittstellen anbieten. Die Datenintegration und die Bewertung der Datenqualität sind nicht immer einfach umzusetzen, aber in der Regel lösbar.
Die schwierigeren Probleme liegen aus Sicht des Projektkonsortiums zurzeit nicht so sehr in der Datenverarbeitung als in der Datenverfügbarkeit. Die Dichte von sachbezogenen Social-Media-Äußerungen zu einem bestimmten Thema in einem überschaubaren geographischen Gebiet ist häufig sehr gering, so dass im Projekt schon weitere öffentlich verfügbare Medieninhalte herangezogen werden mussten. Die Verfügbarkeit und Nutzbarkeit öffentlicher Verwaltungsdaten ist häufig sehr begrenzt. Verwaltungen haben häufig nicht das Budget, das Mandat, die technischen oder die organisatorischen Voraussetzungen, um qualitativ hochwertige Open—Data-Daten zu veröffentlichen. Hinzu kommen Rechtsunsicherheit und eine schier unüberschaubare Anzahl in der Praxis auftauchender Open-Data-Lizenzen, die eine sinnvolle Nutzung für kommerzielle Zwecke enorm erschweren. Hier besteht sicherlich bei der Politik noch Regelungsbedarf.

 

Präsentation der Forschungsergebnisse für die interessierte Öffentlichkeit

Anfang September wurden die Projektergebnisse von SmartRegio in den Räumen des DFKI Kaiserslautern knapp 40 Workshop-Teilnehmern präsentiert und mit diesen diskutiert. Die Vorträge der Projektpartner wurden durch zwei hörens- bzw. sehenswerte Gastvorträge ergänzt. Herr Eike Richter von der „Leitstelle Digitale Stadt“ der Senatskanzlei Hamburg erläuterte die miteinander verwobenen politischen, organisatorischen, technischen und rechtlichen Aspekte der „Strategie Digitale Stadt“ der Freien und Hansestadt Hamburg. Prof. Dr. Till Nagel von der Universität Mannheim präsentierte neueste Methoden und Anwendungsbeispiele zur Datenvisualisierung für urbane Daten. Es zeigte sich ein großes Interesse an den Projektideen und an der Nutzbarkeit der Ergebnisse für praktische Fragestellungen. Alle Vorträge des Abschluss-Workshops werden auf der Projekt-Webseite bis Ende September verfügbar sein.

Disy hält über dieses Projekt einen Vortrag am 26. September 2017 im Rahmen des Workshops „Big Data, Smart Data and Semantic Technologies“ bei der GI-Tagung INFORMATIK 2017 in Chemnitz.

 

Weitere Informationen

BMWi-Programm Smart Data
Blog des Technologieprogramms Smart Data
Forschungsprojekt SmartRegio