NieTro² entwickelt datengestützte Entscheidungshilfe bei Niedrigwasser

Wie sollte eine datengestützte Entscheidungshilfe bei Niedrigwasser und Trockenheit aussehen, die handelnde Akteure bei ihren Entscheidungen unterstützt? Dieser Frage geht Disy gemeinsam mit Partnern im BMDV-Forschungsprojekt NieTro² nach.

NieTro2 entwickelt datengestützte Entscheidungshilfe bei Niedrigwasser

Heiße Sommer und kein Regen in Sicht. Die daraus resultierende Wasserknappheit fordert die handelnden Akteure in Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung heraus. Niedrigwasser in Flüssen behindert die Schifffahrt und gefährdet damit Lieferketten. Es stört nicht nur industrielle Prozesse mit großem Kühl- oder Brauchwasserbedarf, sondern es verschlechtert durch höhere Stoffkonzentrationen auch die Wasserqualität. Langanhaltende Trockenheit beeinflusst den Bodenwasserspeicher und die Grundwasserneubildung negativ. Das wiederum führt zu Schwierigkeiten bei der Trinkwasserversorgung und in der Landwirtschaft. All diese Zusammenhänge werden noch komplexer, wenn sie für dynamische Bergbaufolgelandschaften bewertet werden sollen, wie sie in den Braunkohlerevieren von Brandenburg und Sachsen zu finden sind.

Projekt NieTro² entwickelt datengestützte Entscheidungshilfe

Deshalb wäre es für die Akteure von großem Nutzen, wenn sie bei ihren wasserrelevanten Entscheidungen durch ein datengestütztes System unterstützt werden. Dann könnten sie ihre Maßnahmen untereinander besser abstimmen und nachhaltiger agieren. An dieser Fragestellung arbeitet das im Dezember 2021 gestartete Verbundforschungsvorhaben „Nachhaltige und praxistaugliche Implementierung eines Entscheidungshilfesystems für Niedrigwasser und Trockenheit (NieTro²)“. Das Projekt NieTro² wird im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert.

Bis zum Mai 2024 plant Disy als Verbundkoordinator, zusammen mit den beiden Berliner Projektpartnern Büro für Angewandte Hydrologie (BAH) und Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), die prototypische Realisierung dieses Systems. In der bereits abgeschlossenen Machbarkeitsstudie NieTro wurden Anforderungen an die datengestützte Entscheidungshilfe beim Management von Niedrigwasserperioden erarbeitet, einsetzbare Technologien identifiziert und eine Lösungsarchitektur konzipiert. Im aktuellen Umsetzungsprojekt NieTro² soll jetzt das Grobkonzept in ein leistungsfähiges, gut einbettbares und benutzerfreundliches Softwaresystem umgesetzt und unter realen Einsatzbedingungen durch die Einbeziehung von assoziierten Projektpartnern evaluiert werden.

Projektpartner im BMDV-Forschungsprojekt NieTro2 für die Entwicklung der datengestützten Entscheidungshilfe

Projektpartner NieTro2

Lösungsarchitektur der datengestützten Entscheidungshilfe

Im Kern dieser datengestützten Entscheidungshilfe steht ein hochaufgelöstes, landesweites und ständig arbeitendes Wasserhaushaltsmodell (SAM). Dieses wird durch das BAH für das Land Brandenburg betrieben. Mithilfe moderner hydrologischer Modelle, aktueller Daten und Wettervorhersagen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) sowie benutzerfreundlicher Methoden zur Datenanalyse, Datenvisualisierung und Planungsunterstützung, soll ein zuverlässiges Lagebild angeboten werden. Dies schließt zielgruppenspezifisch verlässliche Prognosen zur Entwicklung von Indikatoren, wie Wasserverfügbarkeit, Bodenfeuchte usw. mit ein. Eingebettet in die skalierbare Software-Plattform disy Cadenza sollen die Ergebnisse des Modells flexibel auswertbar und für Planungsszenarien nutzbar gemacht werden.

Lösungsarchitektur für die Entwicklung der datengestützten Entscheidungshilfe

Lösungsarchitektur NieTro²

Die Web-Applikation (Dashboard) auf Basis von disy Cadenza ist der zentrale Zugang zum Gesamtsystem zur Bereitstellung zielgruppengerechter Informationen, Visualisierungen und Funktionen. Hier können Anwendende, z. B. aus Landesämtern oder Landkreisen, sich die für sie relevanten Orte und Regionen anzeigen lassen und diese im Team teilen und diskutieren. Dies umfasst Punkt- oder flächenbezogene Indikatoren, deren Vorhersagewerte, Auswertungen beispielsweise mit zeitlichen Verläufen oder flexibel definierbare räumlichen Aggregationen. Wie auch bei den mobilen Anwendungen für Fachbehörden geht es hier um die aufgabenbezogene, verständliche Darstellung von Ergebnissen der Modellrechnungen und Prognosen des Modellsystems zur Entscheidungsunterstützung (engl. Decision Support System, DSS).

Mobile Apps zur Datenerfassung und Darstellung von Modellergebnissen für Fachbehörden und Öffentlichkeit sind ein weiterer Baustein der Lösungsarchitektur. So können beispielsweise Daten zu Landnutzung und Vegetationsstand mit mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets erhoben werden (Mobile Sensing). Dieses bietet sich besonders für die dynamischen Bergbaufolgelandschaften an, um die Wasserhaushaltsmodelle mit aktualisierten Daten zu versorgen. Aber auch die Bürgerinformation vor Ort soll durch mobile Apps unterstützt werden, um die Sensibilisierung für Extremereignisse und Klimawandel zu ermöglichen sowie das Verständnis von Trockenheitsphänomenen zu verbessern.

Entwicklung der datengestützten Entscheidungshilfe mit Praktikern

Die prototypische Realisierung dieses Systems erfolgt zusammen mit Praxispartnern aus Landes- und Kreisverwaltung sowie dem Bergbaufolgemanagement in Brandenburg. Hier bieten häufige Trockenperioden und dynamische Bergbaufolgelandschaften spezifische Herausforderungen. So kann anhand von realen Beispieldaten und -szenarien die datengestützte Entscheidungshilfe entwickelt, demonstriert und bewertet werden.

Um die Praktiker von Anfang an mit einzubinden, fand Ende Januar 2022 das öffentliche Auftakttreffen des Projekts als Online-Veranstaltung statt. Angehörige des Projektkonsortiums stellten Ziele und Lösungsansatz des Vorhabens vor und freuten sich über das große Interesse von über 50 Teilnehmenden aus Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft. Diese vertraten u. a. Landes- und Bundesbehörden, Landkreise und Wasserversorger aus acht Bundesländern.

Forschungsfragen der datengestützten Entscheidungshilfe Auf dem Weg vom Grobkonzept zum Lösungsprototypen sind beispielsweise diese Forschungsfragen zu beantworten:

  • Wie sind die Benutzungsschnittstellen (mobile Fachanwendung und stationäre Web-App) zu gestalten, damit die beobachteten und prognostizierten Indikatorwerte sowie ggf. weitere Auswertungen für die verschiedenen Anwendungszwecke und Nutzenden einfach verstanden und effektiv verwendet werden können (z. B. durch interaktive Visualisierungen, aufgabenspezifische Daten-Dashboards u. ä.).
  • Wie muss eine Cadenza-basierte Datendrehscheibe aussehen (z. B. welche Schnittstellen zu existierender Software im Land, beim DWD usw.), damit sich die NieTro²-Lösung gut in bestehende (Geo-)Dateninfrastrukturen einbetten lässt?
  • Mit welcher Gesamtarchitektur (Speicherstrukturen, Ressourcenallokation, ggf. Parallelisierung / Vektorisierung des Programmcodes) können alle Systembestandteile, inklusive eines räumlich sehr hoch aufgelösten hydrologischen Modellsystems (ca. 1,8 Mio. Elementarflächen), effizient und skalierbar arbeiten?

In NieTro² soll disy Cadenza Daten zugänglich machen und Schnittstellen anbieten, die hydrologische Modelltechnik von BAH ansteuern. Dafür werden benutzerfreundliche, verständliche Informationszugänge mit interaktiven Visualisierungen und Datenanalyse-Dashboards für verschiedene Zielgruppen realisiert. Durch Visualisierungen lassen sich Entscheidungen transparenter und verständlicher an Betroffene, politische Gremien und interessierte Bürger vermitteln. Außerdem sollen szenariobasierte Planungsmethoden erforscht werden, um die Gestaltung zukünftiger Maßnahmen zu vereinfachen. disy Cadenza wird so erweitert, dass es als steuernde Entscheidungshilfe Drittsysteme ansprechen und gezielt einsetzen kann.

Die Datenspeicherung in einem Geo Data Warehouse soll die Eingangsdaten und die jeweils erzeugten Prognosedaten sowie ggf. benutzerspezifische Daten für individuelle Planungen bzw. allgemein zum Szenario-Management umfassen. Bei Bedarf kommen auch Techniken zur Historisierung der Datenbank für die rechtssichere Betrachtung verschiedener Zeitpunkte zum Einsatz.


Neue Cadenza-Perspektiven durch datengestützte Entscheidungshilfe

Das Forschungsprojekt NieTro² ist in vielerlei Hinsicht spannend und eröffnet neue Perspektiven. Thematisch trägt dieses Projekt dazu bei, Lebensräume zu erhalten, indem Wasserressourcen nachhaltig genutzt werden. Mit der Bereitstellung einer zentralen, nutzerfreundlichen Entscheidungshilfe für Anwendende bietet NieTro² technologische Perspektiven für die Weiterentwicklung von disy Cadenza. Diese Lösung deckt zum einen alle Analysen, Reports etc. ab, und organisiert zum anderen die Darstellung, Verwaltung und Datenhaltung der eigenen Modelle. Eng mit diesem Thema verbunden ist auch der Ausbau der Plug-in-Fähigkeit von disy Cadenza, damit externe Tools, die weitergenutzt werden, sich besser über Schnittstellen integrieren lassen. Die hier in NieTro² zu entwickelnden Ansätze werden dazu beitragen, die Analysefähigkeit von disy Cadenza weiter zu stärken.

Sie interessieren sich für die Ergebnisse des Auftakttreffens von Ende Januar? Sie möchten über die Fortschritte im BMDV-Forschungsprojekt NieTro² informiert werden? Dann kontaktieren Sie uns unter der E-Mail-Adresse nietro-workshop@disy.net.