Sachsen entwickelt innovative Fachanwendung zur Hochwasservorsorge

Bürger für die Hochwasservorsorge zu sensibilisieren ist eine behördliche Aufgabe. Dazu wurde das sächsisch-tschechische Web-Tool FLOOD.Bi als eine in disy Cadenza integrierte Fachanwendung entwickelt, mit der sich Vorsorgeoptionen an Wohngebäuden berechnen lassen.

Sachsen entwickelt innovative Fachanwendung zur Hochwasservorsorge

Wer schon einmal unmittelbar von einem Hochwasserereignis betroffen war, weiß, wie wichtig vorsorgender Hochwasserschutz ist. Um betroffene Bürger für diese Thematik zu sensibilisieren, bieten zuständige Fachbehörden umfangreiche Informationen – von Druckschriften wie Hochwasserschutzfibeln über Warnhinweise bis hin zu webbasierten Hochwassergefahrenkarten.

In Sachsen geht man jetzt gemeinsam mit Tschechien noch einen Schritt weiter. Seit 2013 arbeitet das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) federführend mit dem Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e.V. Dresden (IÖR) und zahlreichen weiteren Partnern im Forschungsprojekt STRIMA an einer bisher einmaligen Fachanwendung zur Hochwasservorsorge.

Das Projekt STRIMA steht für „Sächsisch-Tschechisches Hochwasserrisikomanagement“ (STRIMA) und wurde im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Sachsen und Tschechien in zwei Phasen vom Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Nachdem im Projekt STRIMA I zunächst die Identifikation typischer Schadensbilder und die Ermittlung der Verletzbarkeit durch Hochwasser im Vordergrund standen, lag der Fokus von STRIMA II auf der Identifizierung geeigneter Vorsorgemaßnahmen und der Entwicklung der interaktiven Informationsplattform „Flood resilience: Information tool for Buildings“, kurz FLOOD.Bi. Seit Anfang April ist FLOOD.Bi online und für die Öffentlichkeit nutzbar. „Die Vision, ein Werkzeug zu entwickeln, mit dem Eigentümer in Hochwasserrisikogebieten verschiedene objektbezogene Vorsorgeoptionen ausloten können, entstand bereits 2013 durch den Austausch vom LfULG mit dem Umweltamt der Landeshauptstadt Dresden“, erläutert Susann Thieme, zuständige Projektleiterin beim LfULG, die Entstehungsgeschichte des Projekts.


FLOOD.Bi simuliert Wirkung von Optionen zur Hochwasservorsorge

Von Beginn an war den Initiatoren klar, dass der vom IÖR entwickelte Modellansatz zur Ermittlung von Hochwasserschäden mit seiner hohen räumlichen und kontextbezogenen Auflösung dafür die geeignete Grundlage bietet. Die wissenschaftliche Basis bilden die synthetischen Schadensfunktionen, die für relevante tschechische und sächsische Gebäudetypen erarbeitet wurden.

Im Webportal FLOOD.Bi Optionen zur Hochwasservorsorge simulieren

Abb.1: Im Webportal FLOOD.Bi Optionen zur Hochwasservorsorge simulieren

Im Rahmen von STRIMA II ist es nun gelungen, diesen Ansatz so zu erweitern, dass auch geplante bauliche Veränderungen am Gebäude abgebildet werden können. Mit der Fachanwendung FLOOD.Bi können sich Fachplaner, Eigentümer und Betroffene nun die Wirkung verschiedener Optionen zur Hochwasservorsorge über die vier Schritte „Gefahr, Gebäudetyp, Objektspezifik und Verletzbarkeit“ (Abb. 1) simulieren lassen. Auf Grundlage dieser Ersteinschätzung in Form eines exportierbaren PDF-Steckbriefs gilt es dann, nach einer baulichen Aufnahme vor Ort, die planerische Umsetzung weiter zu spezifizieren.


Fachanwendung zur Hochwasservorsorge ist in disy Cadenza integriert

Um den kontinuierlichen Betrieb sicherzustellen, ist die vom LfULG betriebene Webanwendung FLOOD.Bi ebenso wie das Datenportal interdisziplinäre Daten und Auswertungen (iDA) in das Internetangebot des Landeshochwasserzentrums (LHWZ) eingebettet. Durch die enge Verzahnung war es naheliegend, FLOOD.Bi mit der Basistechnologie des iDA-Portals umzusetzen: mit disy Cadenza. Die Erstellung der Softwarespezifikation, die Integration in die vorhandene IT-Infrastruktur und die Umsetzung der Fachanwendung wurden von Disy und DigSyLand, dem Institut für Digitale Systemanalyse und Landschaftsdiagnose, umgesetzt, das federführend bei der Softwareentwicklung war.

Für das grenzüberschreitende Projekt galt es, eine sprachliche Regelung zu finden. Um einheitlich auf die für iDA bestehende Infrastruktur aufsetzen zu können, wird die deutschsprachige disy Cadenza-Version genutzt. Innerhalb der Fachanwendung selbst sind die Inhalte und Elemente der Bedienungsoberfläche je nach Einstieg in Deutsch oder Tschechisch umgesetzt. FLOOD.Bi kann über eine eigene URL oder direkt aus dem iDA-Portal aufgerufen werden und bietet neben den Daten für ganz Sachsen auch Daten für die tschechischen Bezirke Karlovy Vary, Ústí nad Labem und Liberec.

Abb. 2: Architektur Webanwendung FLOOD.Bi

Abb. 2: Architektur Webanwendung FLOOD.Bi

Optionen zur Hochwasservorsorge mit der Fachwendung analysieren

Der Einstieg in die Analyse der Optionen zur Hochwasservorsorge erfolgt über die Adresssuche im Location Finder oder über die Auswahl eines Gebäudes in der Karte. In der erscheinenden Objektinformation wird die prognostizierte Hochwassergefahr dargestellt; die eigentliche Fachanwendung kann über den Link zum Steckbrief aufgerufen werden. Diese ist über den disy Cadenza-Fachanwendungsrahmen integriert. Nach Durchführung der vierstufigen Lage- und Gebäudeanalyse gelangt der Nutzer wieder in die disy Cadenza-Umgebung. Dort kann er den PDF-Bericht mit seinen Ergebnissen exportieren. Die vom Nutzer eingegebenen Daten werden aus Datenschutzgründen nicht gespeichert.

Abb. 3: Start Fachanwendung
Abb. 3: Start Fachanwendung
Abb. 4 : Auswahl „Gebäudetyp“
Abb. 4 : Auswahl „Gebäudetyp“
Abb. 5: Einstellung „Objektspezifik“
Abb. 5: Einstellung „Objektspezifik“
Abb. 6: Exportierter PDF-Bericht
Abb. 6: Exportierter PDF-Bericht

Ausblick auf die nächsten Schritte

„Mit der Live-Schaltung von FLOOD.Bi Anfang April haben wir im Forschungsprojekt STRIMA II ein großes Projektziel erreicht. Umgesetzt werden konnte dieses inhaltlich sehr anspruchsvolle Projekt nur deshalb, weil alle Projektpartner mit ihrem Know-how aus unterschiedlichen Disziplinen engagiert zusammengewirkt haben“, sagt Frau Thieme. „Es bleibt aber noch einiges zu tun. Neben der Konsolidierung und der Vervollständigung um weitere Grundlagendaten soll das Portal um weitere Gebäudetypen ergänzt werden. Gerade dadurch wird das Portal für einen größeren Nutzerkreis interessant. Denn wir wünschen uns, dass vor dem nächsten Hochwasser alle Häuser bestens geschützt sind.“ Vielleicht macht dieser innovative Ansatz Schule und wird Modell für andere hochwassergefährdete Regionen in Deutschland und Europa.