Windenergie in Deutschland: Analyse zur Flächennutzung von Windrädern und Potenziale für den Ausbau

Mit disy Cadenza den Status Quo des tatsächlichen Flächenverbrauchs von bestehenden und geplanten Windrädern darstellen, Potenzialflächen identifizieren und daraus Rückschlüsse für Maßnahmen ableiten

Location Intelligence in der Datenanalyse-Software disy Cadenza: Dashboard-Darstellung für eine Standortanalyse

Nicht ohne Grund dominieren Themen rund um erneuerbare Energien seit langer Zeit die Politik, die Medien und den gesellschaftlichen Diskurs: Die Windenergie spielt aktuell beim Ausbau von erneuerbaren Energien eine tragende Rolle. Dass die Bundesregierung nun Maßnahmen im Eiltempo zum Ausbau von Windenergieanlagen beschließt, wirft interessante und wichtige neue Fragestellungen auf.

Das im Juli 2022 verabschiedete „Windenergie-an-Land-Gesetz“ gibt zukünftig verpflichtende Flächenziele vor: Bis Ende 2032 müssen die Länder insgesamt zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie ausweisen. 1,4 Prozent der Flächen sollen bis 2027 für Windenergie bereitstehen.

Was genau bedeutet dieses Zwei-Prozent-Ziel in konkreten Zahlen? Und können wir das überhaupt erreichen? Mit disy Cadenza und den Analysefunktionen aus Business & Location Intelligence setzen wir den Anforderungen aus Politik Fakten entgegen und finden Antworten auf die wichtigsten Fragen auf Bundes- und Landesebene:

  • Wie sieht der Status quo von Windkraftanlagen aus?
  • Unter welchen Voraussetzungen ist das Zwei-Prozent-Ziel realistisch?
  • Kann es auf Basis der aktuellen Ausbaugeschwindigkeit erreicht werden?

Status Quo Windenergie

Für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurden die Ausbauziele angehoben. Bis 2030 sollen insgesamt 80 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, um bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Der Ausbau der Windenergie ist entscheidend, um die Unabhängigkeit vom Import fossiler Brennstoffe zu stärken und diese Ziele zu erreichen.

Im ersten Schritt möchten wir mithilfe von disy Cadenza herausfinden, wie viel Fläche in Deutschland aktuell für Windenergie und Windräder genutzt wird. Die Datengrundlage ist dabei entscheidend. Das Marktstammdatenregister, eine Onlinedatenbank, die das zentrale Verzeichnis von energiewirtschaftlichen Daten darstellt, liefert uns Standorte und Eigenschaften zu den ca. 30.000 aktuell in Deutschland betriebenen Windkraftanlagen (Abbildung 1 links).

Man erkennt, dass in der nördlichen Hälfte von Deutschland viel mehr Windräder installiert sind, als in der südlichen. In der Heatmap-Darstellung (Abbildung 1, Mitte) wird dies nochmal deutlicher. Vor allem an der Nordsee bzw. in Niedersachsen und Schleswig-Holstein ist ein Hotspot zu erkennen. Durch eine zusätzliche Gewichtung der Darstellung nach Netto-Nennleistung (Abbildung 1, rechts) wird zudem visualisiert, wo die höchste Leistungsdichte vorhanden ist. Die Hotspots verlagern sich noch weiter Richtung Schleswig-Holstein sowie zu Offshore-Anlagen.

Windenergie durch Windkraftanlagen in Deutschland als Punkte und Heatmap in der Karte in der Datenanalyse-Software disy Cadenza darstellen.

Abb. 1.: Windkraftanlagen in Deutschland

Durch Datenanreicherung werden in der Datenanalyse-Software disy Cadenza die Bundesländer nach der Anzahl von Windkraftanalagen klassifiziert eingefärbt.

Abb. 2: Bundesländer eingefärbt nach der Anzahl von Windkraftanalagen

Mittels Datenanreicherung ermitteln wir aus den Standorten der Windräder und den Flächen der Bundesländer die Anzahl von Windrädern pro Bundesland. Das Ergebnis ist eine Kennzahl. Durch diese eröffnet sich uns eine weitere Visualisierungsoption, alternativ zur oben gezeigten Heatmap: Bundeslandflächen eingefärbt nach der Anzahl der Windkraftanlagen (Abbildung 2). Hier ist vor allem der deutliche Nord-Süd-Unterschied eindrücklich zu erkennen.

Zahlen und Fakten zum aktuellen Flächenverbrauch

Thema Windenergie: Flächenverbrauch von Windkraftanalagen in Deutschland in der Karte in der Datenanalyse-Software disy Cadenza darstellen.

Abb. 3.: Flächenverbrauch von Windkraftanalagen in Deutschland

Aber wieviel Fläche verbrauchen die insgesamt ca. 30.000 Anlagen eigentlich aktuell? Und wie steht das in Relation zu dem Zwei-Prozent-Flächenziel?

Die Bundesländer geben unterschiedliche Mindestabstände zwischen Windkraftanlagen vor. Um den Flächenverbrauch eines einzelnen Windrads zu bestimmen und abzubilden, erstellen wir in disy Cadenza ein Funktionsattribut. Dabei nehmen wir an, dass der Flächenverbrauch in direktem Zusammenhang mit seinem Rotordurchmesser steht, und berechnen diesen einfach über die Kreisformel: Flächenverbrauch A = π r². Dabei ist r² das Quadrat des Rotorradius der Anlage. Das führt zu einer Flächenverbrauchsannahme von 6.532 m² pro Windrad. Die modellierten Flächen jeder Anlage werden in disy Cadenza visualisiert. Zu sehen ist dies in Abbildung 3.

Wie hoch ist also der gesamte Flächenverbrauch aller Anlagen? Dafür interessieren uns lediglich die Anlagen an Land. Mit einer Filterung auf „Onshore-Windkraftanlagen“ zeigt disy Cadenza jetzt nur die Daten zu Windkraftanlagen an Land an. Dies führt zu einem aktuellen Flächenverbrauch von 159,3 km². Die Gesamtfläche Deutschlands beträgt ca. 357.588 km². Das bedeutet, dass laut unserer Modellrechnung nicht einmal 0,05 Prozent der Landfläche Deutschlands aktuell durch Windkraftanlagen verbaut ist. Von dem Zwei-Prozent-Ziel sind wir also noch weit entfernt.

Beim Thema Windenergie ist der Norden dem Süden weit voraus

Betrachten wir zuerst den absoluten Flächenverbrauch von Windkraftanlagen pro Bundesland (Abbildung 4, mittlere Spalte). Hier bestätigt sich direkt die durch Abbildung 1 gewonnene Erkenntnis: In der nördlichen Hälfte von Deutschland ist der Flächenverbrauch höher als in der südlichen Hälfte. In Niedersachsen wird, verglichen mit anderen Bundesländern, insgesamt am meisten Fläche durch Windkraftanlagen belegt. Mit 40,11 km² ist Niedersachsen den Bundesländern Brandenburg (29,04 km²) und Schleswig-Holstein (27,33 km²) weit voraus.

Schlusslichter bezüglich Flächenverbrauch durch Windkraftanlagen sind die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen. Auffällig ist außerdem der geringe Flächenverbrauch von Bayern und Baden-Württemberg. Durch die Einfärbung der Tabelle (Abbildung 4, linke Spalte) ist direkt zu erkennen, dass die beiden Bundesländer zu den größten Deutschlands gehören. Bei einer gemeinsamen Gesamtfläche von ca. 106.289 km² sind Bayern und Baden-Württemberg zusammen mehr als doppelt so groß wie Niedersachsen. Der gemeinsame Flächenverbrauch von ca. 16,52 km² ist dabei nicht einmal halb so groß wie der des führenden Bundeslands (Abbildung 4).

Dies nehmen wir zum Anlass, uns den prozentualen Flächenverbrauch anzuschauen (Abbildung 4, rechte Spalte). Also, welches Bundesland nutzt im Verhältnis zu seiner Größe am meisten Fläche für Windkraftanlagen? Auch hier hilft die Einfärbung der Tabelle beim direkt visuellen Erfassen der wichtigsten Erkenntnisse:

  • Das Bundesland Bremen, das absolut gesehen am drittwenigsten Fläche für Windkraftanlagen verwendet, gehört wohl zum Kreis der größten Unterstützer von Windkraftanlagen in Deutschland. Mit 0,13 % liegt es hinter Schleswig-Holstein auf Platz 2, gefolgt von Brandenburg mit 0,10 %.
  • Auch das Saarland kann sich sehen lassen: Mit 0,8 % liegt es prozentual gesehen mit den Spitzenreitern des absoluten Flächenverbrauchs gleich auf.
  • Schlusslichter Hamburg und Berlin liegen mit 0,01 % gleichauf mit den Bundeslandriesen Bayern und Baden-Württemberg.

Wir sehen, da ist noch viel Luft nach oben.

Windkraftanlagen: Flächenverbrauch und Gesamtfläche pro Bundesland in einer nach der Größe eingefärbten Tabelle in der Datenanalyse-Software disy Cadenza.

Abb. 4: Gesamtfläche, Flächenverbrauch und prozentualer Flächenverbrauch pro Bundesland

Potenzialflächen für Windenergie in der Karte darstellen

Nun stellen wir uns noch die Frage, ob es überhaupt noch genug weitere Flächen in der Bundesrepublik gibt, die sich für den zukünftigen Ausbau der Windkraft eignen. Bisher sind nur 0,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie an Land ausgewiesen, wobei aktuell sogar nur 0,5 Prozent tatsächlich für den Ausbau zur Verfügung stehen.

Für die praktische Eignung einer Fläche sind zahlreiche physikalische, ökologische und gesetzliche Parameter zu beachten. Eine Studie der Leibniz Universität Hannover hat das Flächenpotential für Windkraft in der Bundesrepublik ausgewertet und stellt die Ergebnisse im Shapefile-Format zur Verfügung. Dabei wurden zahlreiche Parameter wie bspw. die bauliche Geländeeignung, das Artenvorkommen, vorhandene Infrastrukturen und auch gesetzliche Mindestabstände beachtet.

Windenergie: Potenzialflächen für Windkraftanlagen in der Karte in der Datenanalyse-Software disy Cadenza darstellen.

Abb. 5: Potenzialflächen für Windkraftanlagen

Nachdem wir die Shapefiles in disy Cadenza per Self-Service mit wenigen Klicks importiert haben, können wir diese analysieren. Die importierten Geodaten beschreiben zwei Flächenklassen:

  • Low Vulnerability umfassen Flächen mit hoher Eignung.
  • Medium Vulnerability umfassen Flächen mit zumindest mittlerer Eignung.

Die Datenbasis deckt 5.320 km² Potenzialflächen mit hohem Ausbaupotenzial und 8.303 km² Potenzialflächen mit mittlerem Ausbaupotenzial auf. Insgesamt entspricht das fast der Fläche von Schleswig-Holstein. Wenn wir nur die Flächen mit hohem Ausbaupotenzial betrachten, entspricht das immer noch ungefähr der doppelten Fläche des Saarlands. Zu sehen sind die Potenzialflächen in Abbildung 5. Grün sind die Flächen mit hohem, gelb die mit mittlerem Ausbaupotenzial.

Die Abbildung zeigt klar, dass vor allem in der Mitte und im Nordosten Deutschlands ein enormes Ausbaupotenzial besteht. Aber auch im Rest Deutschland scheint es genug Ausbaumöglichkeiten zu geben.

Faktencheck Windenergie: Ist das Zwei-Prozent-Ziel erreichbar?

Jetzt stellen sich folgende Fragen: Wie viel Prozent der Fläche wären bei Nutzung aller potenziell in Frage kommenden Flächen erreichbar? Und ist vor diesem Hintergrund unser Zwei-Prozent-Ziel überhaupt realistisch? Ein kurzer Faktencheck macht klar:

  • Potenzialflächen mit hohem Ausbaupotenzial nehmen mit 5.320 km² 1,49 % der Fläche Deutschlands ein.
  • Potenzialflächen mit mittlerem Ausbaupotenzial betragen mit 8.303 km² bzw. 2,32 % der Fläche Deutschlands.
  • Insgesamt sind somit 13.623 km², also 3,82 % der Fläche Deutschlands, für den Ausbau von Windkraftanlagen geeignet.

Das Zwei-Prozent-Ziel ist also theoretisch erreichbar.

Ausbaugeschwindigkeit zeigt Höhen und Tiefen der Windenergie

Aber wie schnell ist das umsetzbar? Wir versuchen Rückschlüsse aus der Vergangenheit zu ziehen und schauen uns die Ausbaugeschwindigkeit der letzten Jahre an.

In der Karte sehen wir, dass es theoretisch vor allem in Sachsen-Anhalt ein großes Ausbaupotenzial gibt. Mittels Drill-through navigieren wir von der Karte in ein Säulendiagramm, das die Ausbaugeschwindigkeit visualisiert (Abbildung 6). Das Diagramm verrät uns, dass in Sachsen-Anhalt zu Beginn der 2010er Jahre viele neue Windräder installiert wurden. Nach dem Rekordjahr 2002 (339 Anlagen) ging es – zwar schwankend – tendenziell wieder bergab. 2018 gab es dann einen sehr starken Rückgang der Inbetriebnahmen. Aus diesem Tief hat sich das Bundesland seither nicht mehr heraus bewegt.

Ausbaugeschwindigkeit von Windkraftanalysen in Sachsen-Anhalt im Säulendiagramm in der Datenanalyse-Software disy Cadenza.

Abb. 6.: Ausbaugeschwindigkeit von Windkraftanlagen in Sachsen-Anhalt pro Jahr

Wie sieht das denn für ganz Deutschland aus? Dazu entfernen wir die Filterung, zoomen also bei der Datenbetrachtung wieder heraus und analysieren das gestapelte Säulendiagramm (Abbildung 7). Durch die Farbgebung ist je Säule – also pro Jahr – zu erkennen, welche Bundesländer sich unter den Top 3 bezüglich der Ausbaugeschwindigkeit befunden haben.

Erste Anlagen wurden bereits ab 1983 gebaut. Seit Anfang der 1990er Jahre stieg die Anzahl der neuen Windkraftanlagen stetig an. Der Höhepunkt wurde auch für Gesamtdeutschland 2002 mit 2.089 Anlagen erreicht. Danach sank die Ausbaugeschwindigkeit wieder, bis sie 2008 einen Tiefpunkt erreichte. Lediglich 404 neue Anlagen konnte Deutschland in diesem Jahr verzeichnen. Seither ging es bis zum Jahr 2019 (324 Anlagen) bergauf. Aus dem anschließenden Tief kam Deutschland bis zum Jahr 2022 nicht mehr heraus. Ein Grund dafür könnte die Corona-Pandemie sein. Seit 2022 stehen aber alle Zeichen wieder auf „Steigung“, denn für die Zukunft sind schon einige Anlagen in Planung.

Auch die Farben im Diagramm geben uns spannende Erkenntnisse: Durchgehend in den Top 3 befindet sich Niedersachsen. Auch Brandenburg kann sich sehen lassen. Seit 2003 ist das Bundesland fast jedes Jahr unter den Top 3 zu finden. Nordrhein-Westfalen ist – außer zwischen 2005 und 2014 – in nahezu jedem Jahr unter den Top-Bundesländern vertreten. Auch Sachsen-Anhalt hatte zwischen 1997 und 2009 einen Lauf: Ganze zehnmal taucht es in den Top 3 auf. Schleswig-Holstein legt vor allem seit dem Jahr 2010 nach. Eher erschreckend: Meist decken die Top 3 Bundesländer mehr als die Hälfte der neuen Anlagen pro Jahr ab.

Ausbaugeschwindigkeit von Windkraftanalysen im Säulendiagramm in der Datenanalyse-Software disy Cadenza.

Abb. 7: Ausbaugeschwindigkeit von Windkraftanlagen

Fazit: Jedes Windrad zählt

Ziehen wir nun ein erstes Fazit. Dazu gehen wir gedanklich nochmal zurück zu unserer anfänglichen Erkenntnis: Aktuell verbrauchen die bestehenden Windkraftanlagen 0,05 Prozent Landesfläche. In die ca. 1,5 Prozent Fläche mit hohem Ausbaupotenzial passen also – einfach und grob gerechnet – dreißigmal so viele Windräder wie wir heute haben. Das wären knapp 900.000 weitere Windräder. Wenn wir das Zwei-Prozent-Ziel erreichen möchten, werden ca. 1.200.000 neue Windräder benötigt.

Die Ausbaugeschwindigkeit müsste dabei drastisch gesteigert werden: disy Cadenza verrät uns, dass seit dem Jahr 2000 pro Jahr durchschnittlich nicht einmal 1.000 Windkraftanlagen in Betrieb genommen wurden.

Vor diesem Hintergrund klingen die genannten Zahlen natürlich erstmal utopisch, schüchtern vielleicht sogar ein. Wir sollten deshalb aber keine Angst haben, diese Aufgabe anzugehen. Denn schon ein kleiner Teil von diesen neuen Windrädern würde für die zukünftige saubere Energiesicherheit genügen. Mit jedem Windrad kommen wir unserem Ziel ein Stückchen näher.

Natürlich spielen bei der Erreichung des Zwei-Prozent-Ziels – neben der Identifikation von Potenzialflächen – noch weitere wichtige Faktoren eine wichtige Rolle, was viele Herausforderungen mit sich bringt. Aber eines können wir durch diese Analyse sagen: An potenziell geeigneten Ausbauflächen in Deutschland mangelt es nicht.

In unserem Dashboard haben wir all unsere gewonnenen Erkenntnisse auf einen Blick festgehalten. Es unterstützt uns dabei, den Überblick über die Datenlage zu behalten und ist die Grundlage für geeignete Maßnahmenableitungen.

Windenergie-Dashboard mit Fokus auf den Ausbau von Windkraftanlagen in Deutschland in der Datenanalyse-Software disy Cadenza

Abb. 8.: Windenergie-Dashboard mit Fokus auf den Ausbau von Windkraftanlagen in Deutschland